Ist das Kunst oder kann das weg?
Ein Eisvogel mitten in der Stadt. Jeden Abend sitzt er an derselben Stelle, um dort zu nächtigen. Er bewohnt Orte, die man in der Stadt nicht mit ihm in Verbindung bringen würde: kleine Gräben, unschöne Parkanlagen, unscheinbare Ecken, die niemand beachtet. Und doch ist er da – ein ausgesprochen bunter Bewohner zwischen Beton und Asphalt. Kaum jemand weiß von seiner Existenz.
Dieses Bild ist Teil eines längeren Projekts, das sich genau mit dieser Thematik beschäftigt. Der Blitz trifft den Eisvogel frontal, die Farben wirken überzeichnet, das Licht ist hart.
Ich will von meinen Bildern überrascht werden. Ich will hinschauen und ein Fragezeichen haben. Fotografie ist für mich nicht nur Dokumentation, sondern ein Spiel mit Ästhetik, mit Erwartungen, mit Wahrnehmung. Dieses Bild bricht mit meiner gewohnten Herangehensweise. Es fordert heraus. Es deckt auf. Der Blitz reißt den Eisvogel aus seinem Versteck und macht ihn sichtbar in all seiner schillernden Präsenz. So, wie man ihn sonst nicht sieht. Er wirkt geblendet, wie im Blitzlichtgewitter. „Darf man das?“, höre ich es in Naturfotografie Foren schallen, ein überspitztes Bild, eine ungewohnte Ästhetik. Wenn man nachts im dunklen Park steht und weiß, wo er sitzt, bleibt er trotzdem unsichtbar. Man muss seine Augen schärfen, seine Gewohnheiten ablegen, um ihn zu entdecken.
Und genau diese Differenz interessiert mich. Der Eisvogel existiert mitten unter den Stadtbewohnern, aber bleibt unbemerkt. Das Bild zeigt ihn überdeutlich, fast überpräsent – ein Kontrast zur Realität, in der er meist verborgen bleibt. Die Fotografie macht ihn sichtbar, aber in einer Weise, die irritiert. Das Bild lässt mich über Fotografie nachdenken, über das Sehen und das Unsichtbare. Über unsere Stadt, die so viele Geschichten birgt, die unentdeckt bleiben. Vielleicht ist der Eisvogel eine Metapher für all das, was unter der Oberfläche unseres Alltags existiert. Menschen, Orte, kleine Momente, die nicht in den Fokus geraten, weil wir nicht genau genug hinsehen.